Praxiswissen Transportrecht Juli 2016

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Mit Urteil vom 05.08.2015 (Az.: 3 O 365/13 - nicht rechtskräftig) hat das Landgericht Bonn entschieden, dass ein Frachtführer (vorliegend KEP-Dienstleister) einem Kunden Schadensersatz zu leisten hat, wenn er ihm zur Beförderung übergebene Bewerbungsunterlagen nicht rechtzeitig zustellt.

Folgendes war passiert:
Die Klägerin, ein Bauunternehmen, beauftragte die Beklagte, einen großen KEP-Dienstleister, am 29.04.2013 um 13:40 Uhr damit, eine Sendung bis zum 30.04.2013, spätestens 10 Uhr, an den angegebenen Empfänger zuzustellen. Dabei wählte die Klägerin die von der Beklagten angebotene, deutlich teurere Versandart „Express". Die Sendung beinhaltete ein Angebot der Klägerin für einen vom Empfänger ausgeschriebenen Bauauftrag. Die Klägerin informierte die Beklagte nicht über den Inhalt der Sendung.

Die Sendung wurde dem Empfänger am 30.04.2013 erst um 11.45 Uhr zugestellt. Der Empfänger schloss das Angebot daraufhin als verspätet aus.

Die Klägerin verlangte nun von der Beklagten Schadensersatz in Form des entgangenen Gewinns in Höhe von insgesamt EUR 72.904,-. Ihre Forderung begründete sie damit, dass ihr Angebot das wirtschaftlichste gewesen sei und sie bei rechtzeitiger Zustellung den Zuschlag erhalten hätte.

Das Landgericht hielt die Klage für begründet. Nach erfolgter Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin bei rechtzeitiger Zustellung den Zuschlag zur Ausführung der Baumaßnahme erhalten hätte.

Das Gericht betonte, dass die Beklagte als Frachtführerin aufgrund der einschlägigen handelsrechtlichen Vorschriften gegenüber der Klägerin in voller Höhe hafte und ihr damit auch den entgangenen Gewinn infolge ihres Auftragsverlusts zu ersetzen habe.

Dabei stellte das Gericht heraus, dass die handelsrechtliche Haftungsbegrenzung auf den dreifachen Betrag der Fracht vorliegend keine Anwendung finde, weil der Beklagten hinsichtlich der Ausführung der Expresslieferung ein leichtfertiges Verhalten vorgeworfen werden könne. Beim Angebot einer Expresslieferung müsse der Frachtführer sicherstellen, dass die rechtzeitige Zustellung möglich ist. Andernfalls habe er den Auftrag abzulehnen.

Auch der Einwand der Beklagten, wonach die in ihren AGB enthaltene Haftungsgrenze für wertvolles Frachtgut zu beachten sei, konnte das Gericht nicht vom Gegenteil überzeugen. Nach Auffassung des Gerichts kam die Anwendung dieser AGB nicht in Betracht, da als materieller Wert der Sendung lediglich die Papierkosten anzusehen seien. Überdies sei die AGB-Klausel unwirksam, da auch zwischen Unternehmern eine Haftungsfreizeichnung für die Verletzung sogenannter Kardinalpflichten (hier: Lieferfristzusage) unzulässig sei.

Das Gericht stellte sich ferner auf den Standpunkt, dass die Klägerin kein Mitverschulden treffe, weil sie die Beklagte nicht über die große finanzielle Bedeutung des Sendungsinhalts aufgeklärt habe. Hierzu war sie nach der Ansicht des Gerichts nicht verpflichtet.

Fazit
Die Entscheidung macht deutlich, dass trotz gängiger Haftungsausschlüsse in Fracht-AGB Versendern gegenüber Frachtführern bei Verletzung wichtiger Pflichten der Höhe nach unbegrenzte Ersatzansprüche zustehen können.

Sollten Sie Fragen zu dieser Entscheidung haben, so stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Ihr Ansprechpartner:
Klaus-Peter Langenkamp

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