BAG am 13.09.2022: Arbeitszeiterfassung ist für alle Arbeitgeber in Deutschland verpflichtend

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Mit seiner Entscheidung vom 13. September 2022 folgt das Bundesarbeitsgericht – soweit es aus der bisher vorliegenden Pressemitteilung des Gerichts erkennbar ist – der vom europäischen Gerichtshof mit Urteil vom 14.5.2019 (Az C-55/18) und ihm folgend nicht zuletzt das Arbeitsgericht Emden mit einer Entscheidung vom 20. Februar 2020 (unsere Meldung vom 13. Mai 2020) aufgezeigten Linie: bereits nach aktuell geltendem deutschen Arbeitsrecht besteht für deutsche Arbeitgeber die Verpflichtung, ein System zu unterhalten, das es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglicht, ihre Arbeitszeiten (und somit auch und besonders solche, die über das vertraglich geschuldete Maß hinausgehen) zu erfassen.

Deutlich bestimmt der Einleitungssatz der Pressemitteilung die Sichtweise des Bundesarbeitsgerichts: Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann." Das Arbeitsschutzgesetz gilt für alle Betriebe in Deutschland, ganz egal wie groß sie sind. Und das auch unabhängig davon, ob ein Betriebsrat existiert oder nicht. Die Presseveröffentlichung ist wohl nur so zu verstehen, dass künftig alle Unternehmen in Deutschland dazu verpflichtet sind, die Arbeitszeit zu erfassen. Die abzuwartende Begründung / das Urteil findet auch auf Homeoffice und Telearbeit Anwendung.

Fazit

Bis zur Vorlage der Urteilsbegründung wäre es reine Spekulation, Aussagen zu treffen, wie dieses System aussehen kann bzw. welche Detailtiefe die Erfassung der Arbeitszeiten erreichen muss. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt dürfte aber bereits feststehen, dass es keiner weiteren gesetzgeberischen Umsetzungsnormen mehr bedarf, die die Arbeitgeberseite verpflichten müsste, Zeiterfassungssysteme einzuführen (soweit noch gar nicht vorhanden) und mit diesen die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten (unabhängig von einer möglicherweise hiervon abweichenden vertraglichen Regelung) zu erfassen. Arbeitgeber haben zur Sicherung des Gesundheitsschutzes „für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen", so das BAG weiter (Beschl. v. 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21). Diese vermeintlich „neue" Rechtslage gilt mit sofortiger Wirkung.

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